Harnsteine
Urolithiasis
Der Körper des Menschen verfügt über zwei Nieren, die das Blut reinigen. Auf diesem Weg werden Abfallstoffe und überschüssiges Wasser aus dem Blut entfernt und als Urin / Harn über das Nierenbecken und die Harnleiter in die Harnblase ausgeschieden.
Darüber hinaus stehen die Nieren mit vielen anderen Organsystemen in enger funktioneller Verbindung, z.B. mit der Blutdruckregulation oder der Atmung.
Harnsteine entstehen, wenn Salze aus dem Harn durch eine zu hohe Konzentration als Kristalle ausfallen und sich unter Einbeziehung von organischem Material zusammenlagern. Diese können dann weiter wachsen wie Stalagmiten in einer Tropfsteinhöhle.
Die Gründe für eine zu hohe Konzentration von Harnsalzen sind vielfältig; angefangen von einer zu geringen Flüssigkeitszufuhr über Störungen des Harnabflusses und Entzündungen bis hin zu angeborenen oder erworbenen Störungen des Stoffwechsels. Vielfach sind Harnsteine eine Zivilisationserscheinung und Ausdruck von geänderten Lebensgewohnheiten als negative Folge eines gewachsenen Lebensstandards. Die moderne Gesellschaft verzehrt zu viel tierisches Eiweiß und Fett und bewegt sich im Verhältnis zur Kalorienzufuhr zu wenig.
Therapie
Die meisten Harnsteine fallen auch heute noch erst dann auf, wenn Komplikationen wie schmerzhafte Koliken oder komplizierte Infekte den Patienten als Notfall zum Arzt führen.
Vorrangiges Ziel der Notfallbehandlung ist die Linderung der akuten Schmerzen und Sicherung bzw. Wiederherstellung des Harnabflusses, sowie ggf. die Beseitigung entzündlicher Begleiterscheinungen. Anschließend folgt die bildgebende Diagnostik mit Ultraschall und Röntgen, um aus den Informationen bezüglich Form, Lage und Konsistenz des Steines eine differenzierte Therapieplanung zu erstellen. Aktuell verfügt die Urologie über eine Vielzahl wissenschaftlich gesicherter Behandlungsverfahren, die einzeln oder kombiniert zur Anwendung kommen. Die ESWL (Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie) erzeugt piezoelektrisch gezündet Stoßwellen, deren Energie über Gelkissen in den Körper weitergeleitet werden.
Treffen diese Stoßwellen auf Steinmaterial, wird dieses in Schwingung versetzt und zerfällt in sandartige Brösel, die mit dem Urin ausgeschieden werden können. Kleinere Harnleitersteine können mit miniaturisierten Endoskopen direkt unter Sicht mit dem Laser zerkleinert und entfernt werden; bei Steinen im Nierenbecken erfolgt der Zugang über einen Punktionskanal.
Harnsäuresteine können chemisch durch die Einnahme von Medikamenten aufgelöst werden.
Eine offene Steinoperation ist heute nur noch in seltenen Ausnahmefällen erforderlich. Zur Sicherung des Harnabflusses während der Behandlung werden oft dünne Silikonröhrchen in den Harnleiter eingelegt, die wegen ihrer gebogenen Enden in Form des Buchstaben J auch Double-J-Katheter (kurz DJ) genannt werden.
Ziel der Steinbehandlung ist stets die komplette Beseitigung des gesamten Steinmaterials, weil möglicherweise zurückgebliebene Steinreste den Ausgangspunkt für ein erneutes Steinwachstum darstellen. Darüber hinaus können aus der Analyse des entfernten Steinmaterials erste Rückschlüsse auf eine mögliche Ursache des Harnsteinleidens gezogen werden.
Metaphylaxe
Wenn die Stoffwechselstörung, die zur Steinbildung geführt hat, nicht behoben wird, leiden mehr als die Hälfte aller Patienten innerhalb kurzer Zeit unter erneuten Rezidiv-Steinen. Daher ist es von großem Interesse, konkrete individuelle Empfehlungen zur Harnstein-Metaphylaxe zu entwickeln, die dazu beitragen sollen, das Risiko für eine wiederholte Steinbildung zu senken.
Dafür benötigt der Urologe neben einer allgemeinen Funktionsprüfung der Harnorgane zwei wichtige Informationen:
1. Jeder Harnstein sollte genau hinsichtlich seiner Bestandteile untersucht werden. Man unterscheidet drei Gruppen von Harnsteinen: Steine als Folge genetisch bedingter Stoffwechselstörungen sind Zystin und Xanthin, Steine im Zusammenhang mit Infektionen der Harnwege bestehen meist aus Struvit (Kalzium-Magnesium-Phosphat)
Bei falschen Ernährungsgewohnheiten oder erworbenen Stoffwechseldefekten findet man häufig Harnsäure-, Kalziumoxalat- oder Kalziumphosphatsteine.
2. Jeder Harnstein-Patient sollte seine Stoffwechsel-Situation überprüfen lassen. Neben den allgemeinen Messwerten wie Körpergröße und Gewicht (BMI=Body Mass Index) sowie Blutzucker, Blutfetten und Leberwerten wird insbesondere die Nierenfunktion sehr genau überprüft. Hierzu werden aus einer Urinprobe, die sich nach einer 24-stündigen Sammelperiode ergibt, eine Vielzahl von Parametern ermittelt, die mit dem Risiko einer Steinbildung in Verbindung gebracht werden: Harnsäure, Kalzium, Natrium, Phosphat und Oxalat können Harnsteine auslösen, Magnesium und Zitrat im Urin helfen das Steinbildungsrisiko zu senken.
Aus diesen Informationen kann für jeden Patienten eine individuelle Empfehlung zusammengestellt werden, die dazu beitragen soll, das Risiko für eine erneute Steinbildung so gering wie möglich zu halten. Der Urologe unterscheidet zwischen allgemeinen und spezifischen Maßnahmen zur Metaphylaxe.
Allgemeine Empfehlungen
Allgemein gelten für Patienten mit Harnsteinen folgende Empfehlungen:
Trinken Sie ausreichend. Eine hohe Trinkmenge führt zur Verdünnung des Urins und Absenkung der Dichte; das Risiko einer Kristallbildung ist somit herabgesetzt. Berücksichtigen Sie dabei auch den Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen bei hoher Umgebungstemperatur oder körperlicher Anstrengung.
Ungeeignet für eine Durchspülungstherapie sind alkoholische Getränke, Kaffee, Kakao und stark gesüßte hochkalorische Limonaden wie Cola, Fanta usw. Besonders harntreibend wirken Tees aus Heilkräutern (Birkenblätter, Löwenzahn, Liebstöckel und Goldrute), verdünnte Fruchtsäfte und Mineralwässer. Letztere eignen sich besonders für eine differenzierte Harnsteinmetaphylaxe. Die Analyse auf dem Etikett gibt Auskunft darüber, welche Ionen im dem Sprudel-Produkt enthalten sind. Bei den Ernährungsempfehlungen sind für die jeweilige Steinart geeignete Mineralwasser-Zusammensetzungen aufgeführt.
Ernähren Sie sich gesund. Dabei brauchen Sie nicht auf alle Genüsse zu verzichten, Ihrer Gesundheit zuliebe sollten Sie aber in vernünftigem Maße damit umgehen.
Ein ausgewogener Speiseplan beinhaltet eine flüssigkeits- und vitaminreiche, fett- und eiweißbeschränkte Kost mit Vollkornprodukten, frischem Gemüse und Obst. Eiweißreiche Lebensmittel (etwa Wurst, Fleisch, aber auch manche Fisch- und Käsesorten) sind zu reduzieren. Vermeiden Sie große Mengen an Spinat und Rhabarber, beide haben einen sehr hohen Gehalt an Oxalsäure. Es ist ratsam, zwei fleischfreie Tage in der Woche einzuplanen und auf Alkohol zu verzichten. Über- und Fehlernährung können über eine Fehlsteuerung des Stoffwechsels zur massenhaften Ausscheidung von steinbildenden Substanzen führen. Essen Sie Zitrusfrüchte. Zitrat und Magnesium sind wirksame Hemmstoffe der Kristallisation.
Bewegen Sie sich ausreichend. Regelmäßige sportliche Betätigungen wie Radfahren, Joggen oder Gartenarbeit erhöhen den Kalorienverbrauch und helfen somit, den Stoffwechsel zu entlasten.
Achten Sie auf ein angemessenes Körpergewicht. Der BMI (= Body Mass Index) errechnet sich aus dem Quotienten des Körpergewichts und des Quadrats der Körpergröße (kg : m²) und sollte bei Erwachsenen unter 25 liegen.
Spezielle Empfehlungen
Die folgenden Empfehlungen zur speziellen Metaphylaxe richten sich an Patienten, die bereits eine komplette Stoffwechseldiagnostik durchlaufen haben und entsprechend ihrer individuellen Laborkonstellation weitergehende Tips zur Zusammenstellung ihrer Ernährung suchen.
Nahrungsmittel und mg Kalzium pro 100g
Milch 120
Joghurt 120
Quark, Schichtkäse, Dickmilch, Sahne 80-90
Frischkäse, Harzer, Mainzer 125
Weichkäse, Brie, Camembert 400-600
Hartkäse: Gouda, Edamer / Emmentaler / Parmesan 800 / 1200 / 1600
Nahrungsmittel und mg Oxalsäure pro 100g
Gemüse
Rote Bete 160, Mangold 870, Rhabarber 1.235,
Sauerampfer 1.390, Spinat 1959
Getreideprodukte
Weizenkleie 460, Buchweizen 145, Weizenvollkornflocken 75, Couscous 65,
Nüsse
Mandeln 385, Nüsse 600
Schokolade 400-500
Kakao-Pulver 560
Getränke
Teeblätter (Gehalt im Schwarztee richtet sich nach Art und Menge der Teeblätter und der Aufgusszeit) 375-1450
Milch 0.4, Kaffee 0.6, Früchtetee 0.6
Obst
Himbeere 19, Johannisbeere 20, Feige 20, Stachelbeere 22, Kiwi 23, Brombeere 29
Wassermelone, Apfel, Apfelsine, Birne, Kirschen, Pfirsich, Ananas 0.3 – 4.9
Banane, Aprikose, Mirabellen, Mandarine 6.8 – 8.5
Gemüse
Linsen 13, Aubergine 16, Porree 17, Karotten 18, Kartoffeln 24, Oliven 46, Bohnen weiß 54
Erbsen 0.2, Kopfsalat 0.3, Gurken 0.4, Blumenkohl 0.4, Rosenkohl 1.2, Brokkoli 1.4, Spargel 2.6, Wirsing 3.5,
Fenchel 5.3, Sauerkraut 7.1, Tomaten 8.5, Schwarzwurzel 9.1
Brot
Toastbrot 12, Brötchen 20, Weizenmischbrot 25, Roggen-Vollkornbrot 32, Roggen-Vollkorn-Knäckebrot 49
Nahrungsmittel und mg Phosphat pro 100g
Schmelzkäse 950
Emmentaler / Tilsiter / Gouda 860 / 570 / 500
Bohnen 430
Linsen 410
Sojabohnen 590
Paranüsse / Mandeln / Erdnüsse 600 / 500 / 410
Kakao 740
Nahrungsmittel und mg Harnsäure pro 100g
Fleisch
Kalbsbries 900, Kalbsherz 180, Kalbsleber 260, Kalbsniere 210, Rinderleber 360, Rinderzunge 160, Schweineleber 300, Schweinemilz 380, Schweinezunge 140
Fisch
Forelle mit Haut 200, Hering mit Haut 320, Bückling 145, Forelle 180, Lachs 170, Makrele 170, Sprotten 500, Anchovis 260,
Bismarckhering 180, Krabben 165, Matjesfilet 210, Ölsardinen mit Haut 350, Sardellen 260, Thunfisch in Öl 180
Gemüse und Salate
Aubergine 20, Bohnen grün 42, Blumenkohl 45, Broccoli 50, Champignon 60, Chicoree 15, Chinakohl 25, Endivien 11, Feldsalat 24, Fenchel 16, Gewürzgurke 15, Karotte 10, Kartoffel 15, Kohlrabi 30, Kopfsalat 10, Lauch (Porree) 40, Paprika 10, Radieschen 10, Rettich 10, Rotkohl 40,
Salatgurke 6, Sellerie 30, Sojasprossen 15, Spargel 25, Spinat 50, Tomaten 10, Weißkraut 20, Wirsing 40, Zucchini 20, Zwiebeln 15
Obst
Ananas 20, Apfel 15, Apfelsine 20, Aprikose 20, Banane 25, Birne 15, Erdbeere 25, Grapefruit 15, Himbeere 18, Johannisbeere 15, Kirschen süß 15, Kiwi 19, Melone (Honig) 25, Melone (Wasser) 20, Pfirsich 18, Pflaume 20, Rhabarber 5, Weintrauben 20
Getreideprodukte, Backwaren
Brötchen 40, Cornflakes 80, Haferflocken 100, Hirse 85, Knäckebrot 100, Mischbrot 45, Reis (natur gekocht) 35, Teigwaren (Vollkorn) 80, Weißbrot 40, Weizenmehl (Type 405) 40, Weizengries 80, Vollkornbrot 60, Zwieback 60
Milch, Milchprodukte, Ei
Vollmilch 0, Quark 0, Camembert 30, Emmentaler 10, Gouda 16, Harzer Käse 20, Mainzer Käse 20, Schafskäse 30, Hühnerei 5
Fette
Butter 0, Margarine 0, Öl 0
Wurstwaren
Corned Beef 60, Frankfurter Würstchen 70, Weißwurst 70, Wiener Würstchen 80
Bei der erhöhten Zystinausscheidung (Zystinurie) handelt es sich um eine angeborene Stoffwechselstörung, die nur durch die Kombination mehrerer Therapie-Bausteine sinnvoll behandelt werden kann. Entscheidend ist dabei die Absenkung der täglichen Zystinausscheidung unter 300mmol in 24 Stunden und eine möglichst maximale Alkalisierung des Urin-pH-Werts. Oftmals ist dieses Ziel nur durch die Einnahme von Medikamenten zu erreichen. Die Verordnung des Urologen sollte unbedingt eingehalten werden, da die Zystinurie ohne adäquate Therapie schon innerhalb weniger Jahre zum Verlust der Nierenfunktion führen kann.
Ergänzend ist es sinnvoll, einige Diätempfehlungen umzusetzen:
Die Proteinzufuhr sollte eingeschränkt werden; eiweißreiche Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Wurstwaren, Eier, Weich- und Hartkäse, Nüsse und Hülsenfrüchte (insbesondere Sojabohnen) sollten gemieden werden.
Eine hohe Natriumzufuhr kann die Zystin-Ausscheidung erhöhen. Daher sollte der Gehalt an Kochsalz in der Nahrung möglichst gering gehalten werden. Dies kann erreicht werden, wenn überwiegend frisch zubereitete Nahrungsmittel aufgenommen werden, bei der Würzung möglichst wenig Salz verwendet wird (Kräuter-Würzung) und vor allem bei Tisch auf das nachträgliche Zusalzen verzichtet wird.
Verarbeitete Nahrungsmittel wie Fertiggerichte, Konserven, geräucherte und gepökelte Produkte enthalten z.T. erhebliche Mengen an Natrium (Salz) und sollten daher vermieden werden.
Eine überwiegend vegetarische Kost ist relativ proteinarm und wirkt harnalkalisierend. Pflanzliche Nahrungsmitte. Wie Gemüse, Salate, Obst und Getreideerzeugnisse sollten daher den Hauptbestandteil der Kost ausmachen.
Abschließend noch ein Tip:
Verwenden Sie die kostenlose App „Stone MD“, um Ihre persönlichen Daten wie z.B. Termine zur Kontrolle oder Entfernung von Harnleiterschienen zu verwalten und die Einhaltung Ihrer persönlichen Ernährungsempfehlungen und Trinkmenge auf Ihrem mobilen Endgerät im Alltag zu überwachen.